Sie brauchen ca. 45 Minuten für die gesamte Reportage.
Ploschitz (Blauschütz) ist ein Dorf rund 50 Kilometer südlich von Belgrad (Serbien), direkt an der Donau gelegen.
Mitte des 17. Jahrunderts (ab 1764) siedeln sich dort nach den Türkenkriegen auf Geheiß der österreichischen Kaiserin Maria Theresia Deutsche an. Man nennt sie „Donauschwaben“, weil sie Ploschitz mit drei Schiffen von Süddeutschland aus auf der Donau erreichen.
Ploschitz hat keine Durchgangsstraße, sondern nur eine Zufahrtsstraße, auf der man in den Ort hineinfährt und wieder heraus.
Das Dorf ist durch eine Senke geteilt in einen deutschen (hinteren) und in einen serbischen (vorderen) Teil.
Eine Vermischung unter den Bewohnern beider Ortsteile gibt es nicht, und die Bewohner des deutschen Teils sprechen deutsch.
Serben und Deutsche leben so rund 180 Jahre friedlich nebeneinander.
Am 6. April 1941 greift die deutsche Wehrmacht im sogenannten Balkanfeldzug des 2. Weltkrieges das Königreich Jugoslawien an und unterwirft es der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers.
Hiltler zieht Deutsche zur Wehrmacht ein. Auch in Ploschitz. Aus einst friedlichen Nachbarn werden Feinde.
Nach Ende des von Adolf Hitler begonnenen und verlorenen 2. Weltkrieges regieren ab 1945 in Jugoslawien die russische Armee sowie Titos Partisanen (kommunistische Befreiungsarmee), die die Deutschen aus Ploschitz vertreiben, entrechten, zur Zwangsarbeit verpflichten oder ermorden.
Die meisten Vertriebenen sehen ihre Heimat nie wieder.
Heute leben nicht mehr viele Menschen, die in Ploschitz geboren sind, aber ihre Nachkommen sind in der ganzen Welt verstreut.
Vergessen sind sie nicht: Auf dem ehemaligen deutschen Friedhof in Ploschitz erinnert ein Grabstein an die einst dort lebenden Deutschen (1764 bis 1945).
Und noch heute sagen viele der in Ploschitz lebenden Einwohner, wenn sie durch die Senke in den hinteren Teil des Ortes wollen: „Komm, wir gehen ins deutsche Dorf.“
Dies ist die Geschichte von Andreas Novak, der in der Nacht der Vertreibung 1945 zwölf Jahre alt ist, und im Frühjahr 2018 im Alter von 85 Jahren mit Angehörigen nach Ploschitz zurückkehrt.
Es gibt vier Filmbeiträge (Leben in Ploschitz, Vertreibung, Vernichtungslager Rudolfsgnad, Rückkehr) und einen Audobeitrag mit Klara Büsking (geborene Novak), der älteren Schwester von Andreas Novak. Sie entgeht der Vertreibung, weil sie am 1. Oktober 1944 mit der sogenannten Kinderlandverschickung nach Deutschland flieht.
Update: Andreas Novak ist am Sonntag, 5. November 2023, drei Tage vor seinem 91. Geburtstag (und der Diamantenen Hochzeit mit seiner Frau Annemarie) in Minden gestorben.
Sein Trauervers
Fern der Heimat muss ich sterben,
die ich hab so sehr geliebt,
doch ich bin dahin gegangen,
wo es keinen Schmerz mehr gibt
Filmbeitrag 1/4 – Leben in Ploschitz
Daten von Ploschitz
- Im Jahre 1941 lebten im deutschen Ortsteil 1.400 Bewohner.
- Bis Oktober 1944 waren 46 deutsche Männer im Krieg gefallen.
- Im Oktober 1944 konnten 46 Personen, hauptsächlich Schulkinder flüchten.
- Im Oktober 1944 wurden 42 Männer von den Tito-Partisanen erschossen.
- Im Januar 1945 wurden 86 Zivilisten nach Rußland verschleppt.
- Am 28. April 1945 entschied sich unser Schicksal beim Straßenkreuz: Wer auf die linke Seite kam, mußte Ploschitz verlassen (Alte und Kinder).
- Wer auf die rechte Seite kam (nur Arbeitsfähige) blieb im Lager in Ploschitz.
- Die Nichtarbeitsfähigen kamen in das Lager Mramorak (50 km östlich von Ploschitz) und später in das Vernichtungslager Rudolfsgnad (120 km nördlich von Ploschitz).
- 854 Ploschitzer kamen in die verschiedenen Lager.
- Es gibt 374 Kriegsopfer.